Wenn Papst Franziskus von 28. bis 30. April zum zweiten Mal nach Ungarn reist, wird er auf ein Land mit stark empfundenen christlichen Werten treffen. Das betonte Ungarns Botschafter beim Heiligen Stuhl, Eduard Habsburg, im Interview mit Gudrun Sailer, Vatican News, das wir leicht gekürzt veröffentlichen.
Herr Botschafter, 2021 war Papst Franziskus beim Eucharistischen Weltkongress in Budapest, jetzt besucht er Ungarn ein zweites Mal. Abgesehen von Assisi in Italien hat dieser Papst bis jetzt nur einen einzigen Ort zweimal besucht: die Flüchtlingsinsel Lesbos. Jetzt Ungarn. Was ist damit ausgesagt?
Eduard Habsburg: Ich glaube, dass Franziskus selber den ersten Besuch nicht als einen Besuch in Ungarn gesehen hat. Er hat 2021 immer nur von Budapest gesprochen. Und bei Franziskus gibt es ja diese Unterscheidung zwischen Besuchen in Ländern und Besuchen in Städten in Ländern. Ja, ich glaube sicher, dass Franziskus neugierig auf Ungarn ist. Es ist ja ein Land, das Aufmerksamkeit erregt. Ich weiß, dass er die Ungarn für aufrechte und mutige Leute hält, das hat er mir zumindest im ers-ten Gespräch gesagt, als ich 2015 angekommen bin. Das hat mich damals beeindruckt.
Ungarn empfindet sich heute im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern als betont christliches Land von seinen Werten her. Wie kommt das?
Eduard Habsburg: Wir sind ein sehr stark
historisches Land. Wir leben bewusst Christentum seit 1000 Jahren. Unser erster König Stefan hat sich klar auf die Seite von Rom geschlagen. Und der christliche Glaube ist mit Unterbrechungen in unserer Geschichte in Ungarn sehr stark präsent. Heutzutage finden Sie ein Land, in dem das Christentum im öffentlichen Raum sichtbar ist, in dem die Kirchen einen Platz haben, aber auch die anderen Religionsgemeinschaften, die da sind. Wir haben eine der blühendsten jüdischen Gemeinden Europas, von der ungarischen Regierung sehr stark unterstützt. Glaube ist bei uns sichtbar im öffentlichen Raum. Und ich habe in meiner Erfahrung auch festgestellt, dass speziell in der Regierung bis in die unteren Ebenen hinein alle am Thema Glauben, an christlichen Themen, an Kirche sehr interessiert sind. Deshalb ist für mich jede Fahrt nach Hause immer ein Ausfragen. Die Leute wollen wissen, was in Rom los ist. Sie wollen wissen, was der Papst wirklich sagt. Papst Franziskus trifft also auf eine lebhafte christliche Gemeinschaft in Ungarn.
Was wird Papst Franziskus den Menschen in Ungarn sagen wollen?
Eduard Habsburg: Ich nehme an, dass er die Ungarn ermutigen wird, ihren Glauben weiter zu leben. Ich könnte mir vorstellen, dass er darüber sprechen wird, dass Ungarn etwas für Familien tut. Das hat ihn beim letzten Besuch bewegt. Zu Ministerpräsident Orban hat er damals gesagt, wie sehr er unseren Einsatz für Familien schätzt. Er wird uns ermutigen, uns für den Nächsten einzusetzen, für die Leute am Rand der Gesellschaft. Ungarn hat gerade die größte humanitäre Aktion seiner Geschichte laufen mit der Hilfe für die Flüchtlinge aus der Ukraine, die bei uns aufgenommen wurden und wenn sie bleiben wollen, auch ganz aufgenommen werden. Soweit ich weiß, haben wir jetzt 30.000 aufgenommen und in Schulen und an Arbeitsplätzen untergebracht. Einige dieser Flüchtlinge werden auch die Begegnung mit dem Papst haben, bei der Elisabethkirche am Samstagmorgen.
Beim Umgang mit Flüchtlingen gab es in den vergangenen Jahren eine merkliche Entwicklung in Ungarn. Papst Franziskus ist immer klar gewesen mit seiner Einladung, Flüchtlinge aufzunehmen, zu integrieren und zu fördern. In Ungarn ist mit dem Ukrainekrieg eine besondere Situation eingetreten: Wo vorher ein großes Unbehagen in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus weiter entfernten Staaten vorhanden war, ist jetzt eine große Aufnahmebereitschaft. Inwiefern sehen Sie da einen Zusammenhang mit der Position des Heiligen Stuhls?
Eduard Habsburg: Ich würde mir gerne einreden, dass meine Berichte nach Hause über die Position des Heiligen Stuhls auf Interesse gestoßen sind, aber ich würde sagen, die ungarische Position ist konsequent und dieselbe seit Jahren. 2015 war das Problem mit der illegalen Migration an der ungarischen Grenze, die auch die Schengen-Grenze war, doch das war immer etwas anderes als der Umgang mit Flüchtlingen, die nach den Flüchtlingskonventionen ein Anrecht auf Aufnahme haben. Die Flüchtlinge aus der Ukraine sind Flüchtlinge, die vor einem Krieg flüchten in ein Nachbarland. Ungarn ist das erste Nachbarland in dieser Richtung. Und deswegen ist es für Ungarn selbstverständlich, dass jeder Flüchtling aus der Ukraine, der nach Ungarn kommt und bleiben will, auch bleiben kann. Dass viele von ihnen in andere Länder gegangen sind, war ihre Entscheidung. Also Ungarn unterscheidet ganz klar zwischen Flüchtlingen und Migranten und illegalen Migranten. Flüchtlinge werden immer einen Asylantrag stellen können und werden, wenn dieser Asylantrag berechtigt ist, selbstverständlich Asyl bekommen. Illegale Migranten nicht. Das ist die Haltung von Ungarn.
Wie sehr schätzen und verehren die Menschen in Ungarn heute Papst Franziskus, diesen Papst, der von weit weg kommt?
Eduard Habsburg: Ich glaube, dass die Ungarn den Papst sehr schätzen. Das hat man gesehen, als er für nur sieben Stunden zum Eucharistischen Kongress gekommen ist. Ich glaube, der Papst hat gespürt, dass die Ungarn ihn wirklich lieben, mit ihren Herzen ihm entgegenfliegen. Und ich glaube, dass bei diesem Besuch noch viel mehr an ungarischer Begeis-terung und Gegenwart zu sehen sein wird. Der Papst kommt drei ganze Tage zu uns, von Freitagfrüh bis Sonntagabend. Es wird viele Gelegenheiten geben, die Begeisterung der Ungarn zu spüren, beim Jugendtreffen im Stadion am Samstagnachmittag, bei der Abschlussmesse am Sonntag oder bei den anderen Gelegenheiten. Und ich bin da sehr, sehr zuversichtlich, dass der Papst mit großer Freude im Herzen zurückkommen wird aus Ungarn.