Vom 11. bis 22. November fand in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku die Weltklimakonferenz statt. Der Heilige Stuhl hat die Teilnehmer zu umgehendem Handeln aufgerufen. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin reiste nach Baku und verlas am 13. November im Namen des Papstes die folgende Botschaft:
Herr Präsident,
sehr geehrte Staats- und Regierungschefs,
meine Damen und Herren,
im Namen von Papst Franziskus grüße ich Sie alle herzlich und möchte Sie seiner Nähe, Unterstützung und Ermutigung versichern, damit es der COP29 gelingen möge, zu zeigen, dass es eine internationale Gemeinschaft gibt, die bereit ist, über Partikularinteressen hinauszublicken und das Wohl der Menschheit und unser gemeinsames Haus, das Gott unserer Sorge und Verantwortung anvertraut hat, in den Mittelpunkt zu stellen.
Die uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten lassen keinen weiteren Aufschub zu und zeigen ganz klar, dass die Bewahrung der Schöpfung eine der drin-gendsten Fragen unserer Zeit ist. Wir müssen auch anerkennen, dass sie eng mit der Bewahrung des Friedens zusammenhängt.
Die COP29 findet in einem Kontext statt, der geprägt ist von wachsender Enttäuschung gegenüber multilateralen Institutionen und von gefährlichen Tendenzen, Mauern zu errichten. Der Egoismus – individuell, national und von Machtgruppen – nährt ein Klima des Misstrauens und der Spaltung, das nicht den Erfordernissen einer interdependenten Welt entspricht, in der wir als Mitglieder einer einzigen Familie handeln und leben sollten, die dasselbe vernetzte »globale Dorf« bewohnt.1
»Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn, aber nicht zu Geschwistern.«2 Die wirtschaftliche Entwicklung hat die Ungleichheiten nicht verringert. Im Gegenteil, sie hat die Priorisierung des Profits und der Sonderinteressen auf Kosten des Schutzes der Schwächsten begünstigt und zu einer fortschreitenden Verschärfung der Umweltprobleme beigetragen.
Um den Trend umzukehren und eine Kultur der Achtung des Lebens und der Menschenwürde zu schaffen, ist es notwendig, sowohl zu verstehen, dass die schädlichen Folgen des Lebensstils alle betreffen, als auch die Zukunft gemeinsam zu gestalten, um »dafür zu sorgen, dass die Lösungen von einer globalen Perspektive aus vorgeschlagen werden und nicht nur der Verteidigung der Interessen einiger Länder dienen«3.
Möge das Prinzip der »gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und der jeweiligen Fähigkeiten«4 die Arbeiten dieser Wochen leiten und inspirieren. Die historischen und aktuellen Verantwortlichkeiten sollten in konkrete, weitsichtige Verpflichtungen für die Zukunft umgesetzt werden, damit in diesen Wochen der Verhandlungen ein neues Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal, NCQG) festgelegt werden kann, das zu den dringlichsten Zielen dieser Konferenz gehört.
Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um Lösungen zu finden, die die Entwicklung und Anpassungsfähigkeit der vielen, bereits mit lähmenden Schulden belasteten Länder nicht weiter untergraben. Bei der Diskussion über die Klimafinanzierung ist es wichtig, daran zu erinnern, dass ökologische Schulden und Auslandsverschuldung zwei Seiten ein und derselben Medaille sind und eine Hypothek für die Zukunft darstellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Appell wiederholen, den Papst Franziskus im Hinblick auf das ordentliche Jubiläum des Jahres 2025 formuliert hat, in dem er sich an die reicheren Nationen wandte, »damit sie das Ausmaß vieler getroffener Entscheidungen erkennen und sich entschließen, denjenigen Ländern die Schulden zu erlassen, die sie niemals zurückzahlen könnten. Dabei handelt es sich nicht so sehr um eine Frage der Großmut, sondern der Gerechtigkeit, die heute durch eine neue Form der Ungerechtigkeit verschärft wird, derer wir uns bewusst geworden sind: ›Denn es gibt eine wirkliche ökologische Schuld – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen.‹«5
Die Suche nach einer neuen internationalen Finanzarchitektur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt6, kühn und kreativ ist und auf den Grundsätzen der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität beruht, ist in der Tat von entscheidender Bedeutung. Eine neue internationale Finanzarchitektur, die allen Ländern – insbesondere den ärmsten und den durch Klimakatastrophen am stärksten gefährdeten – Entwicklungsmöglichkeiten gewährleisten kann, die arm an Kohlenstoff und reich an Solidarität sind, so dass allen die Möglichkeit gegeben wird, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und die Achtung ihrer Würde zu erlangen. Wir verfügen über die menschlichen und technologischen Ressourcen, um den Kurs zu ändern und die positive Dynamik einer ganzheitlichen, wirklich menschlichen und inklusiven Entwicklung zu verfolgen.7 Lassen Sie uns zusammenarbeiten, damit die COP29 auch den politischen Willen stärken möge, jene Ressourcen auf dieses edle Ziel zum Gemeinwohl der Menschheit von heute und morgen auszurichten. Wir müssen unser hoffnungsvolles Vertrauen in die
Fähigkeit der Menschheit zurückgewinnen, dass »wir immer den Kurs neu bestimmen können, dass wir immer etwas tun können, um die Probleme zu lösen«8. Es bleibt zu hoffen, dass »dass die Menschheit vom Anfang des 21. Jahrhunderts in die Erinnerung eingehen kann, weil sie großherzig ihre schwerwiegende Verantwortung auf sich genommen hat«9.
Ich bekräftige das Engagement und die Unterstützung des Heiligen Stuhls in diesem Bemühen, insbesondere im Bereich der ganzheitlichen ökologischen Bildung und der Sensibilisierung für die Frage der Umwelt als »ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem«10, das vor allem ein klares Engagement erfordert, bei dem die Verantwortung, die Aneignung von Wissen und die Beteiligung jedes Einzelnen von grundlegender Bedeutung sind.
Wir dürfen nicht »die Straße entlanggehen und auf die andere Seite schauen«11. Gleichgültigkeit ist eine Komplizin der Ungerechtigkeit. Ich appelliere daher, dass wir mit Blick auf das Gemeinwohl die Mechanismen der Selbstrechtfertigung entlarven können, die uns so oft lähmen: Was kann ich tun? Wie kann ich einen Beitrag leisten?
Heute ist keine Zeit mehr für Gleichgültigkeit. Wir können unsere Hände nicht in Unschuld waschen, indem wir auf Distanz bleiben, sorglos und desinteressiert sind. Denn das ist die wahre Herausforderung unseres Jahrhunderts.
Für ein ambitioniertes Abkommen, für jede Initiative und jeden Prozess, der auf eine wirklich ganzheitliche Entwicklung abzielt, versichere ich Ihnen meine Unterstützung und die des Heiligen Vaters, um der Menschheit einen wirksamen Dienst zu erweisen, damit wir alle Verantwortung übernehmen können – nicht nur für die Sicherung unserer eigenen Zukunft, sondern für die aller Menschen. Ich danke Ihnen.
Fußnoten
1 Vgl. Papst Franziskus, Generalaudienz, 2. September 2020.
2 Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 29. Juni 2009, Nr. 19.
3 Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si’, 24. Mai 2015, Nr. 164.
4 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, Art. 3.1. und Art. 4.1; Übereinkommen von Paris, Art. 2.2.
5 Papst Franziskus, Spes non confundit, 9. Mai 2024, Nr. 16; mit einem Zitat aus der Enzyklika Laudato si’, 24. Mai 2015, Nr. 51.
6 Vgl. Hl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, Nr. 14.
7 Vgl. ebd.
8 Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si’, 24. Mai 2015, Nr. 61.
9 Ebd., Nr. 165.
10 Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Laudate Deum, 4. Oktober 2023, Nr. 58.
11 Papst Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti, 3. Oktober 2020, Nr. 75.
(Orig. engl.; ital. in O.R. 13.11.2024)