Vor der Apostolischen Reise des Papstes nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur gibt der Vorsitzende der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen einen Einblick in die Bedeutung des bevorstehenden Besuchs. Im Interview mit Vatican News zeichnet Kardinal Bo, Erzbischof von Yangon in Myanmar, das Bild einer lebendigen und vielfältigen Kirche in der Region.
Vatican News: Papst Franziskus wird in Kürze zu seiner 45. Apostolischen Reise aufbrechen, die ihn nach Asien und Ozeanien führen wird. Was ist Ihrer Meinung nach die Bedeutung dieses Besuchs?
Kardinal Bo: Viele Menschen in Asien hören vom Papst und können ihn in den digitalen Medien »sehen«. Für die breite Bevölkerung ist der Papst jedoch weit weg. Daher berührt der Besuch des Papstes in Asien die Gläubigen nicht nur, sondern weckt auch einen neuen Eifer und ein neues Bewusstsein für den Glauben, denn der Besuch zeigt, dass dem Papst die Völker Asiens am Herzen liegen. Besonders ermutigend ist, dass Papst Franziskus sich entschieden hat, kleinere, in der Welt wenig bekannte Länder wie Papua-Neuguinea und Osttimor zu besuchen. So hat die Welt die Möglichkeit, die Kirchen dieser Länder kennenzulernen.
Vatican News: Wir sprechen über sehr unterschiedliche Länder. Da ist zum einen der Reichtum von Singapur und die Armut von Papua-Neuguinea, es gibt das mehrheitlich muslimische Indonesien und die katholische Mehrheit in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Osttimor. Inwiefern wird dieser Besuch durch die Vielfalt der asiatischen Länder besonders bedeutsam? Was ist hierbei von Interesse?
Kardinal Bo: Die Einzigartigkeit Asiens liegt gerade in seiner Vielfalt, was die Kulturen, Religionen und Traditionen anbelangt. Während die Christen in den meisten asiatischen Ländern – mit Ausnahme der Philippinen und Osttimors – eine Minderheit darstellen, sehen wir eine Zunahme des christlichen Glaubens in der Region. Die Kirchen in Asien sind zwar klein, aber dynamisch und lebendig. Der Heilige Vater wird sich persönlich von der dynamischen Vielfalt der asiatischen Kirchen und vom Glauben der Menschen dort überzeugen können. Ob reich oder arm, Mehrheit oder Minderheit, trotz der unterschiedlichen Herausforderungen in den verschiedenen Ländern bleibt der Glaube der Menschen stark.
Vatican News: Was kann die Weltkirche von der Kirche in Asien lernen?
Kardinal Bo: Drei Worte kommen mir in den Sinn: Frieden und Harmonie, und dann das, was Frieden und Harmonie Wirklichkeit werden lässt, nämlich der Dialog. Trotz der vielen Herausforderungen, vor denen die Kirchen in Asien stehen, ist es unser Ziel, Frieden und Harmonie zu suchen. Alle Menschen streben nach Frieden und Harmonie, und deshalb muss die Kirche angesichts von politischer Unterdrückung, Armut, Umweltzerstörung und in vielen anderen Situationen mit anderen zusammenarbeiten, um Frieden und Harmonie im Leben der direkt Betroffenen wiederherzustellen. In Asien lernen wir zusammenzuarbeiten, einen Dialog zu führen und uns gegenseitig zu respektieren. Vor allem aber haben wir gelernt, trotz aller Schwierigkeiten als Brüder und Schwestern zusammenzuleben. Ich glaube, dass die Wege des Friedens und der Harmonie durch den Dialog das sind, was Asien der Weltkirche anbieten kann.
Vatican News: Was können Sie uns über das Zeugnis der Kirche in Asien sagen?
Kardinal Bo: Die Kirchen in Asien sind lebendig und dynamisch. Bei den Sonntagsgottesdiensten sind viele Gotteshäuser gut gefüllt. Man kann feststellen, dass viele Asiaten, die in andere Länder auswandern, einen lebendigen Glauben behalten. Sie sind unsere Missionare in diesen altehrwürdigen Ortskirchen. Sie bringen eine neue Hoffnung und einen neuen Eifer in ihre »neue Heimat«. Wir sind auch Zeugen für viele verfolgte Kirchen in Asien. In einigen Teilen des Kontinents ist es nicht immer leicht, den christlichen Glauben zu leben. Trotz dieser Herausforderungen – politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Art – ist ihr Glaube nicht nur weiterhin lebendig, sondern auch auf unterschiedliche Weise dynamisch.
Vatican News: Was braucht die Kirche in Asien oder die vier Ortskirchen, die der Papst besuchen wird?
Kardinal Bo: Es fällt mir schwer zu sagen, was die einzelnen Kirchen brauchen, aber ich bete dafür, dass der Besuch des Heiligen Vaters zu einem erneuerten Eifer für den Glauben und zu einer größeren Offenheit füreinander führt, um in Frieden zu leben und füreinander als Schwestern und Brüder zu sorgen, wobei jeder aufmerksam für den anderen sorgt, ungeachtet der Unterschiede, die wir haben mögen.
Vatican News: Wie wichtig wird Ihrer Meinung nach das Thema Klima und Umweltschutz sein? Diese Weltgegend ist ja zunehmend von Naturkatastrophen betroffen, die durch die Klimakrise verursacht werden…
Kardinal Bo: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Asien auf verheerende Weise zu spüren. Da das Thema Klimaschutz dem Heiligen Vater sehr am Herzen liegt, bin ich sicher, dass er dieses Thema ansprechen wird. Wir können nicht länger nur zuschauen, sondern müssen uns aktiv an der Förderung des Klimaschutzes zum Wohle aller beteiligen. Auch die Kirche in Asien muss eine führende Rolle bei der Herbeiführung dieses Wandels in der Region und in der ganzen Welt spielen.
Von Deborah Castellano Lubov