Eine Überlegung tausend Tage nach Ausbruch des Konflikts in der Ukraine

Auf der Suche nach gangbaren Wegen zum Frieden

 Auf der Suche nach gangbaren Wegen zum Frieden  TED-047
22. November 2024

Eintausend Tage. Tausend Tage sind seit dem 24. Februar 2022 vergangen, als die Armee der Russischen Föderation auf Befehl von Präsident Wladimir Putin die Ukraine angegriffen und überfallen hat. Tausend Tage und eine unbestimmte – aber sehr hohe – Zahl von Toten, Zivilisten und Militärs, von unschuldigen Opfern wie Kindern, die auf den Straßen, in Schulen und in ihren Häusern getötet wurden. Tausend Tage und Hunderttausende von verletzten und traumatisierten Menschen, die ihr Leben lang behindert bleiben werden, Familien, die obdachlos geworden sind. Tausend Tage und ein gemartertes und verwüstetes Land. Nichts kann diese Tragödie rechtfertigen, die schon früher hätte gestoppt werden können, wenn alle auf das gesetzt hätten, was Papst Franziskus die »Logik des Friedens« nannte, anstatt sich der vermeintlichen Unvermeidbarkeit des Konflikts zu fügen. Ein Krieg, der wie jeder andere immer von Interessen begleitet wird, in erster Linie von dem einzigen Wirtschaftszweig, der keine Krise kennt, auch nicht während der jüngs-ten Pandemie: dem globalen und transversalen Geschäft derjenigen, die sowohl im Osten als auch im Westen Rüstungsgüter herstellen und verkaufen.

Der traurige Zeitpunkt, an dem tausend Tage seit Beginn der militärischen Aggression gegen die Ukraine verstrichen sind, sollte nur eine einzige Frage aufwerfen: Wie kann dieser Konflikt beendet werden? Wie kann man einen Waffenstillstand und dann einen gerechten Frieden erreichen? Wie können Verhandlungen zustande kommen, jene »ehrlichen Verhandlungen«, von denen der Nachfolger Petri kürzlich sprach, die es ermöglichen würden, »ehrliche Kompromisse« zu erzielen und einer dramatischen Spirale ein Ende zu setzen, die uns an den Abgrund eines Atomkriegs zu ziehen droht?

Man darf sich nicht der Realität verweigern. Die Diplomatie scheint kein Lebenszeichen von sich zu geben, das einzige Aufflackern von Hoffnung scheint in den Wahlaussagen des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu liegen. Aber der Waffenstillstand und dann der ausgehandelte Frieden sind ein Ziel, das von allen verfolgt wird oder besser gesagt: verfolgt werden sollte und das nicht den Versprechungen eines einzelnen Politikers überlassen werden kann.

Was ist also zu tun? Wie kann insbesondere Europa wieder eine Rolle spielen, die seiner Vergangenheit und den Politikern würdig ist, die in der Nachkriegszeit eine Gemeinschaft von Nationen aufgebaut haben, die dem alten Kontinent jahrzehntelang Frieden und Zusammenarbeit garantierte? Der sogenannte Westen sollte, anstatt sich nur auf das verrückte Wettrüsten und die Militärbündnisse zu konzentrieren, die heute überholt und ein Erbe des Kalten Krieges zu sein scheinen, vielleicht die wachsende Zahl von Nationen berücksichtigen, die sich in diesem Schema nicht wiedererkennen.

Es gibt Länder, die ihre Beziehungen zu Russland auf hohem Niveau aufrechterhalten und sogar intensiviert haben: Warum sollten man nicht gründlich die Möglichkeiten für gemeinsame Friedenslösungen prüfen? Warum nicht diplomatisches Handeln und einen ständigen Dialog durch nicht nur sporadische, unbürokratische, intensive Konsultationen mit diesen Ländern entwickeln? Und wenn sich die europäischen Kanzlerämter schwer tun, diesen Weg zu beschreiten, kann man dann eine größere Rolle der Kirchen, der religiösen Führer, ins Auge fassen? Abgesehen von den offiziellen Kontakten, die im Übrigen minimal sind, würde man von den Ländern, die die Ukraine finanziell und militärisch unterstützen, parallel dazu eine größere Initiative der Analyse und des Vorschlags erwarten: Es besteht ein dringender Bedarf an internationalen »Denkfabriken«, die fähig sind, etwas zu wagen, mögliche und konkrete Lösungswege aufzuzeigen und Pläne für einen für alle akzeptablen Frieden vorzuschlagen. Dazu bedarf es, wie Kardinal Parolin vor den vatikanischen Medien sagte, »weitsichtiger Staatsmänner, die zu mutigen Gesten der Demut fähig sind und an das Wohl ihrer Völker denken«. Niemals mehr als an diesem Tag ist es außerdem notwendig, dass die Völker ihre Stimme erheben, um Frieden zu fordern.

Von Andrea Tornielli