Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 17. November

Bedenken wir, was im Leben vergeht und was bleibt

 Bedenken wir, was im Leben vergeht und was bleibt  TED-047
22. November 2024

Liebe Brüder und Schwestern,

einen schönen Sonntag!

Im Evangelium der heutigen Liturgie beschreibt Jesus eine große Bedrängnis: »Die Sonne wird verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen« (Mk 13,24). Angesichts dieser Not könnten viele an das Ende der Welt denken, doch der Herr nutzt die Gelegenheit, um uns eine andere Deutung zu bieten, indem er sagt: »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen« (Mk 13,31).

Wir können bei diesem Ausdruck verweilen: was vergeht und was bleibt.

Zunächst einmal, was vergeht. In manchen Situationen unseres Lebens, wenn wir eine Krise durchmachen oder ein Scheitern erleben und wenn wir um uns herum das Leid sehen, das durch Kriege, Gewalt und Naturkatastrophen verursacht wird, haben wir das Gefühl, dass alles zu Ende geht, und wir spüren, dass auch die schönsten Dinge vergehen. Krisen und Misserfolge sind jedoch, so schmerzhaft sie auch sein mögen, wichtig, weil sie uns lehren, allem das richtige Gewicht beizumessen und unser Herz nicht an die Realitäten dieser Welt zu hängen, denn sie werden vergehen: sie sind dazu bestimmt unterzugehen.

Gleichzeitig spricht Jesus von dem, was bleibt. Alles vergeht, doch seine Worte werden nicht vergehen: Die Worte Jesu bleiben für immer. So lädt er uns ein, dem Evangelium zu vertrauen, das eine Verheißung des Heils und der Ewigkeit enthält, und nicht mehr in Angst vor dem Tod zu leben. Denn während alles vergeht, bleibt Christus. In ihm, in Christus, werden wir eines Tages die Dinge und Menschen wiederfinden, die vergangen sind und die uns in unserem irdischen Dasein begleitet haben. Im Licht dieser Verheißung der Auferstehung erlangt jede Wirklichkeit einen neuen Sinn: Alles stirbt und auch wir werden eines Tages sterben, aber wir werden nichts von dem verlieren, was wir aufgebaut und geliebt haben, denn der Tod wird der Beginn eines neuen Lebens sein.

Brüder und Schwestern, auch in den Drangsalen, in den Krisen, in den Misserfolgen lädt uns das Evangelium ein, das Leben und die Geschichte zu betrachten, dies ohne Angst vor dem Verlust dessen, was endet, sondern mit Freude über das, was bleibt. Vergessen wir nicht, dass Gott für uns eine Zukunft des Lebens und der Freude vorbereitet.

Fragen wir uns also: Hängen wir an den Dingen der Welt, die vergehen, die schnell vergehen, oder an den Worten des Herrn, die bleiben und uns in die Ewigkeit führen? Stellen wir uns diese Frage, bitte. Das wird uns helfen.

Und beten wir zur seligen Jungfrau, die sich ganz dem Wort Gottes anvertraut hat, dass sie für uns Fürsprache halte.

Nach dem Angelusgebet sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern!

Gestern wurden in Shkodra zwei Märtyrer seliggesprochen: Luigi Palić, ein Priester aus dem Orden der Minderbrüder, und Gjon Gazulli, ein Diözesanpriester, Opfer der religiösen Verfolgung im 20. Jahrhundert. Und heute wurde in Freiburg im Breisgau ein weiterer Märtyrer seliggesprochen, der Priester Max Josef Metzger, Gründer des Säkularinstituts »Christkönigs-Institut«, der vom Nationalsozialismus wegen seines religiösen Engagements für den Frieden bekämpft wurde. Möge das Beispiel dieser Märtyrer viele Christen trösten, die in unserer Zeit wegen ihres Glaubens diskriminiert werden. Einen Applaus für die neuen Seligen!

Heute begehen wir den Welttag der Armen, der unter dem Motto steht: »Das Gebet des Armen steigt zu Gott empor (vgl. Sir 21,5)«. Ich danke all jenen in den Diözesen und Pfarreien, die Solidaritätsinitiativen für Bedürftig gefördert haben. Und wir gedenken an diesem Tag auch aller Opfer von Unfällen im Straßenverkehr: Beten wir für sie, für ihre Familien, und setzen wir uns für die Verhütung von Unfällen ein.

Ich stelle eine Frage, die sich jeder stellen kann: Verzichte ich selbst auf etwas, um es den Armen zu geben? Wenn ich Almosen gebe, berühre ich dann die Hand des Armen und schaue ich ihm in die Augen? Brüder und Schwestern, vergessen wir nicht, dass die Armen nicht warten können!

Ich schließe mich der Kirche in Italien an, die morgen einen Gebetstag für die Opfer und Überlebenden von Missbrauchstaten abhält. Jeder Missbrauch ist ein Vertrauensbruch, er ist ein Verrat am Leben! Das Gebet ist unverzichtbar, um »das Vertrauen wiederherzustellen«.

Anlässlich des Weltfischereitags, der am kommenden Donnerstag begangen wird, möchte ich auch an alle Fischer denken: Maria, Stern des Meeres, beschütze die Fischer und ihre Familien.

Und ich grüße ganz herzlich euch alle, die Römer und die Pilger. Insbesondere die Gläubigen aus Ponta Delgada und Zagreb, die »Escolanía del Monasterio de San Lorenzo de El Escorial« und die ecuadorianische Gemeinschaft in Rom, die die »Virgen del Quinche« feiert. Ich grüße die Gruppen aus Chioggia und Caorle; die Feuerwehrleute aus Romeno (Trient) und den Kirchenchor aus Nesso (Como).

Brüder und Schwestern, lasst uns für den Frieden beten: in der gemarterten Ukraine, in Palästina, Israel, im Libanon, in Myanmar, im Sudan. Der Krieg macht unmenschlich, er bringt dazu, unannehmbare Verbrechen zu tolerieren. Die Regierenden sollen auf den Schrei der Völker hören, die um Frieden bitten.

Einen Gruß an die Jugendlichen der »Immaculata«. Ich wünsche allen einen schönen Sonntag. Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!