Der Advent hat begonnen und schon richten sich der Blick und das Herz auf das kommende Weihnachtsfest, das in diesem Jahr mit dem Beginn des Heiligen Jahres, dem Jubiläum 2025, zusammenfällt. Am Weihnachtsabend, 24. Dezember, wird Papst Franziskus die Heilige Pforte öffnen, eine symbolische Geste, die uns daran erinnert, dass Jesus selbst sich mit diesem Gegenstand, der auch ein Ort ist – mit der Tür – identifiziert hat: »Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden« (Joh 10,9). Durch die Tür geht man hinein und hinaus. Durch die Tür hindurch finden die Schafe Weide, das heißt sie finden sich selbst, den Sinn ihres Lebens, jenes Ziel, für das sie bestimmt sind.
Die Tür ist also dieser Durchgang, der uns paradoxerweise – gerade während er uns aus uns selbst hinausführt – den Zugang zu unserem tiefsten, authen-tischsten Inneren erlaubt. Der portugiesische Schriftsteller Pessoa erahnt die entscheidende Stärke dieses Übergangs: »Es gibt eine Zeit, in der du deine Kleidung ablegen musst, jene Kleidung, die bereits die gewohnte Form des Körpers hat, und in der du den gewohnten Weg vergessen musst, der immer an dieselben Orte führt. Es ist die Stunde des Übergangs: und wenn wir das nicht wagen, werden wir immer weit von uns selbst entfernt bleiben.«
Der Advent kann daher gesehen werden als diese »Stunde des Übergangs«. Eine Stunde, in der man sich aufrichtig eine Frage stellt und versucht, sie zu beantworten, wie der Papst in der Predigt an die 21 neuen Kardinäle beim Konsistorium am vergangenen Freitag gesagt hat: »Wohin tendiert mein Herz? In welche Richtung bewegt es sich?« Und mit einem Zitat des heiligen Augustinus hat er uns aufgefordert, zum Herzen zurückzukehren, »weil dort das Bild Gottes ist. Im inneren Menschen wohnt Chris-tus, im inneren Menschen wirst du erneuert zum Bilde Gottes.«
Der Übergang verweist auf eine Erneuerung, und das zieht uns an und erschreckt uns zugleich. Pessoa hat Recht, wir müssen es »wagen«, unseren ganzen Mut zusammennehmen und durch die Tür hindurchgehen.
Über den Mut hat auch Fra Roberto Pasolini, der Prediger des Päpstlichen Hauses, in der ersten Adventsmeditation gesprochen, und dabei unterschieden, dass es zum einen den Mut gibt, Zustimmung zu verweigern, und zum anderen den demütigen Mut des Zustimmens. Die erste Art von Mut hat Eli-sabet gelebt, die »Nein« gesagt hat zu einer erdrückenden Vergangenheit, zur üblichen Kleidung, von denen Pessoa spricht, und die der Erneuerung Raum gibt, indem sie gegen alle und gegen die Vergangenheit den Namen für ihren Sohn wählt: »Der Name Johannes wird zu einer Prophezeiung der Erneuerung: er legt nahe, dass die Geschichte, auch wenn sie unter dem Einfluss ihres Erbes steht, immer in der Lage ist, über sich selbst hinauszugehen und sich neuen Möglichkeiten zu öffnen.« Dies ist ein großer Mut, denn, so Pasolini, uns Menschen fällt es schwer, in die Zukunft zu investieren, sorgenerfüllt wie wir sind und mit großem Ernst konzentriert auf das »Hier und Jetzt«, das die Vorstellungskraft auslöscht, so dass uns das Morgen »wie eine Fotokopie des Heute« erscheint und das Leben als eine »Wiederholung von Gesten und täglichen Routinen ohne viel Herz oder Hoffnung«.
Die zweite Art des Mutes ist demütig, es ist der Mut Marias, die »Ja« sagt. Sie sagt es mit Worten, »aber vor allem mit dem Leben«, hat der Papst in der Predigt zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis unterstrichen. In dieser Antwort steckt die Ahnung, dass die Liebe die einzige wahre Neuheit unseres Lebens und der menschlichen Geschichte ist; dass die Liebe, wie Fra Roberto Pasolini gesagt hat, »immer eine Überraschung ist«. Maria ließ sich »mit äußerster Selbstverständlichkeit von dieser göttlichen Bestimmung anziehen, indem sie die wertvollste Ressource aktivierte, über die unser Herz verfügt: das heilige Staunen«. Maria ist durch die erste Tür des Advents gegangen, die Tür des Staunens. In gewisser Weise ist sie die schwierigste, weil sie die erste ist, aber gerade deshalb ist sie die Tür, die den ganzen Prozess des Advents in Gang setzen kann, diese Offenheit für etwas, für jemanden, der kommt, der uns entgegenkommt, um uns von uns weg und in uns hinein zu führen, in jenes Herz, jene Innerlichkeit, in der Er bereits wohnt und uns erwartet, in den innersten Teil von uns selbst – interior intimo meo.
(Orig. ital. in O.R. 9.12.2024)
Von Andrea Monda