Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Viele von euch sind als »Pilger der Hoffnung« hier in Rom. Wir beginnen heute Morgen mit den Jubiläumsaudienzen am Samstag, die all jene mit offenen Armen empfangen wollen, die aus allen Teilen der Welt kommen, um einen neuen Anfang zu wagen. Das Heilige Jahr ist ja in der Tat ein Neuanfang, eine Möglichkeit für jeden, von Gott ausgehend neu zu beginnen. Mit dem Jubiläum beginnt ein neues Leben, eine neue Etappe.
An diesen Samstagen möchte ich jeweils einen Aspekt der Hoffnung hervorheben. Sie ist eine göttliche Tugend [ital. »virtù«]. Und das lateinische Wort »virtus« bedeutet »Kraft«: Die Hoffnung ist eine Kraft, die von Gott kommt. Die Hoffnung ist keine Gewohnheit, keine Charaktereigenschaft, die man hat oder auch nicht, nein: Sie ist eine Kraft, um die man bitten muss. Und deshalb werden wir zu Pilgern. Wir kommen, um ein Geschenk zu erbitten für einen Neuanfang auf unserem Lebensweg.
Wir feiern morgen das Fest der Taufe Jesu, und das lässt uns an den großen Propheten der Hoffnung denken: Johannes den Täufer. Jesus hat etwas Wunderbares über ihn gesagt: unter den von einer Frau Geborenen gibt es keinen Größeren als ihn (vgl. Lk 7,28). Wir verstehen also, warum so viele Menschen zu ihm gekommen sind, mit der Sehnsucht nach einem Neuanfang, mit der Sehnsucht, neu anzufangen. Und das Heilige Jahr hilft uns dabei. Der Täufer hat wirklich den Eindruck einer großen und glaubwürdigen Persönlichkeit gemacht. Und wie wir heute durch die Heilige Pforte gehen, so hat Johannes vorgeschlagen, den Jordan zu durchqueren und das Gelobte Land zu betreten, wie es als erster dereinst Josua getan hatte, neu anfangen, das Land noch einmal in Besitz nehmen, wie beim ersten Mal.
Brüder und Schwestern, das ist das Schlüsselwort: wieder neu anfangen. Merken wir uns das gut und sagen wir es alle gemeinsam: »neu anfangen«. Sagen wir es gemeinsam: Neu anfangen! [Alle wiederholen es mehrfach.] Genau, vergesst das nicht: neu anfangen.
Doch nach diesem großen Kompliment fügt Jesus gleich etwas hinzu, das uns nachdenklich stimmt: »Ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen gibt es keinen Größeren als Johannes; doch der Kleinste im Reich Gottes ist größer als er« (V. 28). Brüder und Schwestern, die Hoffnung liegt genau dort, in diesem Qualitätssprung. Nicht von uns hängt es ab, sondern vom Reich Gottes. Und das ist das Überraschende: Die Annahme des Reiches Gottes gibt uns einen ganz neuen Maßstab für das, was Größe ist. Und das ist es, was unsere Welt, was wir alle so dringend brauchen! Und wir, was müssen wir tun? Neu anfangen. [Alle: Neu anfangen.] Vergesst das nicht.
Als Jesus diese Worte spricht, sitzt der Täufer im Gefängnis, von Zweifeln geplagt. Auch wir stehen auf unserem Pilgerweg vor vielen Fragen, weil es viele »Herodesse« gibt, die sich auch heute noch dem Reich Gottes widersetzen. Jesus aber weist uns den neuen Weg, den Weg der Seligpreisungen, die das überraschende Gesetz des Evangeliums sind. Fragen wir uns also: Habe ich wirklich den Wunsch, neu anzufangen? Denkt darüber nach, jeder von euch: In mir, will ich neu anfangen? Habe ich den Wunsch, von Jesus zu lernen, wer wahrhaft groß ist? Im Reich Gottes ist der Kleinste der Größte. Deshalb müssen wir alle … [Die Anwesenden rufen: Neu anfangen!]
Lernen wir also von Johannes dem Täufer umzudenken. Die Hoffnung für unser gemeinsames Haus, unsere so sehr missbrauchte und verwundete Erde, und die Hoffnung für alle Menschen, liegt im Anderssein Gottes. Seine Größe ist anders. Und wir wollen wieder von dieser Originalität Gottes ausgehen, die in Jesus aufstrahlte und die uns nun verpflichtet, zu dienen; einander als Brüder und Schwestern zu lieben; zu erkennen, dass wir klein sind. Und die Kleinen zu sehen, ihnen zuzuhören und ihnen eine Stimme zu geben. Das ist der Neuanfang, das ist unser Heiliges Jahr! Und deshalb müssen wir… [Alle rufen: Neu anfangen!] Danke.
(Orig. ital. in O.R. 11.1.2025)